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Angesichts einer Zollschranke von 39 % entschied sich diese britische Marke weder für Kompromisse noch für die Kostenweitergabe. Stattdessen gestaltete sie – ein Paradebeispiel für Corporate Engineering – die Spielregeln geschickt um und schuf so ein völlig neues Modell für das Überleben von DTC im Zeitalter der Zölle.

Auf dem heutigen globalen Handelsschachbrett wirken Zölle wie schwere Steine, die die strategischen Weichen eines Unternehmens leicht blockieren können. Als die USA einen hohen Zoll von 39 % auf Schweizer Importe verhängten, war die Reaktion der Uhrenindustrie vorhersehbar: Entweder würden Marken und Einzelhändler die Lasten teilen, oder die Kosten würden unweigerlich an die Verbraucher weitergegeben. Christopher Ward, eine britische Marke, die auf dem Prinzip der „Werttransparenz“ gegründet wurde, bot jedoch eine dritte Antwort – eine Lösung, die sowohl intelligent als auch, wohl auch, „elegant“ war.

Dabei handelte es sich nicht um eine einfache Preissenkung oder Werbeaktion, sondern um eine wohlüberlegte „strukturelle Arbitrage“, bei der die bestehende Unternehmensarchitektur ausgenutzt wurde, um das Spielfeld neu zu gestalten.


Dekonstruktion der „Alchemie“: Neubewertung des Wertes vom Einzelhandels- zum Großhandelspreis

Der Kern von Christopher Wards Manöver besteht darin, die „Identität“ seiner Uhren beim US-Zoll geschickt zu verändern. Als überwiegend direkt an den Verbraucher (DTC) vertreibende Marke wurden die Produkte des Unternehmens bisher als Einzelpakete zum Endverkaufspreis direkt an US-Verbraucher verschickt. Der Zollsatz von 39 % wurde daher auf Basis der höchsten Wertgrundlage berechnet, die Marketing, Betriebskosten und endgültige Gewinnmargen umfasste.

Durch die Ernennung der bestehenden US-amerikanischen Niederlassung zum offiziellen Vertriebszentrum wurde die gesamte Logistik und Wertschöpfungskette grundlegend neu gestaltet. Uhren werden nicht mehr als verstreute B2C-Pakete, sondern als Massensendungen von der Schweiz an die US-Tochtergesellschaft verschickt. Bei diesem internen B2B-Transfer wird der beim Zoll deklarierte Importwert als „Großhandelspreis“ definiert – ein interner Transferpreis, der in der Regel weit unter dem endgültigen Einzelhandelspreis liegt.

Genau dieser kritische Identitätswechsel milderte die tatsächlichen Auswirkungen des Zolls deutlich ab. Das US-Unternehmen verkauft nun über das DTC-Modell direkt an lokale Kunden. Die Genialität dieser Maßnahmen liegt in der vollständigen Einhaltung der Vorschriften und der Bewältigung externer politischer Schocks durch die Neuorganisation interner Prozesse. Dies ist nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein Beweis für operatives Geschick.


Markenphilosophie in Aktion

Für Christopher Ward ging die treibende Kraft hinter dieser Entscheidung weit über rein kommerzielle Interessen hinaus. CEO Mike Frances Aussage „Das ist Teil unserer Identität“ war keine leere PR-Floskel. Für eine Marke, die dem Grundsatz „Preise, die nicht mehr als das Dreifache der Produktionskosten betragen“, treu bleibt, wäre es gleichbedeutend mit einem Verrat an ihren Grundprinzipien, wenn ihre Preise auf dem US-Markt aufgrund externer Faktoren außer Kontrolle geraten würden.

Daher kann diese strukturelle Reorganisation als kostspielige, aber notwendige „Verteidigung der Markenphilosophie“ betrachtet werden. Sie hätten einen einfacheren Weg wählen können – Preiserhöhungen und eine Entschuldigung bei den Kunden. Doch das taten sie nicht. Sie wählten einen anspruchsvolleren Weg, der ihre Kernwerte stärker widerspiegelt. Dieser Schritt sendet ein starkes Signal an den wichtigsten Markt (der US-Umsatz macht über 45 % aus): Christopher Ward ist bereit, seine Geschäftsmaschinerie umzustrukturieren, um die Preisvereinbarung mit seinen Kunden einzuhalten.


Auswirkungen auf die Branche: Der doppelte Vorteil von Größe und Struktur

Es ist bemerkenswert, dass Christopher Wards „Selbstrettung“ nicht von allen Marken ohne Weiteres nachgeahmt werden kann. Sie offenbart eine harte Realität: Im aktuellen Umfeld hängt die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens nicht nur von der Stärke seiner Produkte ab, sondern auch von der Reife und Flexibilität seiner Unternehmensstruktur.

Kleinere, unabhängige Uhrenmarken ohne etablierte Rechtspersönlichkeit in den USA haben in diesem Zollsturm wenig Handlungsspielraum und müssen die Konsequenzen oft passiv hinnehmen. Christopher Wards Fähigkeit, diese Strategie „glücklicherweise“ umzusetzen, beruht auf seiner zukunftsorientierten globalen Präsenz und seiner Betriebsgröße (jährlich werden rund 50.000 Uhren produziert). Dies verdeutlicht, warum Giganten wie Rolex, Swatch Group und Richemont Group durch ihr ausgedehntes Netzwerk an US-Tochtergesellschaften seit langem natürliche Zollpuffer aufgebaut haben.


Fazit: Wenn die Struktur selbst zur Strategie wird

Der Fall Christopher Ward ist ein Mikrokosmos unternehmerischer Innovation und des Überlebens unter geopolitischem Druck. Er zeigt uns, dass im modernen Wettbewerb „Struktur Strategie ist“. Eine gut konzipierte, zukunftsorientierte Unternehmensarchitektur ist an sich schon eine mächtige Wettbewerbswaffe, die in Krisenzeiten unerwartete Lösungen bietet.

Mit dieser Musterlösung hat Christopher Ward nicht nur die Preisbedingungen für US-Verbraucher angeglichen, sondern auch eine überzeugende Markenwertgeschichte geschrieben. Er hat durch Taten bewiesen, dass wahre Stärke nicht in der Art und Weise der Kostenweitergabe liegt, sondern in der Weisheit und Entschlossenheit, diese Kosten intern zu absorbieren und zu lösen.