Die neuesten Daten für das zweite Quartal zum Gebrauchtuhrenmarkt zeichnen ein scheinbar stabiles Bild. Der gemeinsame Bericht von Morgan Stanley und WatchCharts zeigt einen marginalen Preisrückgang von nur 0,3 % gegenüber dem Vorquartal – der niedrigste Rückgang seit über drei Jahren. Bedeutet dies jedoch einen Markttiefpunkt und eine anschließende Erholung? Wir glauben, es ist viel zu früh zum Feiern. Wie ein erfahrener Sammler treffend formulierte: „Ein gebrochenes Bein ist besser als ein gebrochener Hals, was zwar stimmt, aber beides ist kein Grund zum Feiern.“
Hinter dieser oberflächlichen Ruhe verbergen sich Marktdivergenzen und ein tiefes psychologisches Zusammenspiel. Dieser Bericht bietet eine detaillierte Analyse der wahren Marktstimmung hinter den Zahlen.
I. Blue-Chip-Hochburgen: Sichere Häfen im Marktwinter
Inmitten des allgemeinen Abwärtsdrucks ist der „Matthäus-Effekt“ des Marktes immer deutlicher geworden. Kapital und Aufmerksamkeit konzentrieren sich intensiv auf einige wenige Topmarken, die mittlerweile zu robusten „Blue-Chip-Hochburgen“ werden.
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Patek Philippe (+1,1 %) und Cartier (+0,9 %): Diese beiden Marken waren die herausragenden Performer. Die Nautilus- und Aquanaut-Kollektionen von Patek Philippe erholten sich stark, während Cartier dem allgemeinen Abschwung mit einer robusten Nachfrage nach seinen klassischen Tank- und Santos-Modellen trotzte.
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Rolex (-0,2 %) und Omega (-0,1 %): Als absolute Marktführer im Transaktionsgeschäft konnten Rolex und Omega ihre Preise weitgehend stabil halten. Die Angebotsmengen von Rolex normalisieren sich, und die Absorptionsraten erholen sich; Omegas Flaggschiff-Serie Speedmaster erfreut sich weiterhin einer soliden Nachfrage.
Die hervorragende Leistung dieser vier Marken in diesem Quartal zeigt deutlich, dass sich die Käufer in einem unsicheren Markt zu hoch angesehenen, liquiden „harten Vermögenswerten“ hingezogen fühlen.
II. Die Kluft wird größer: Das Lied von Eis und Feuer geht weiter
Die Widerstandsfähigkeit der Blue-Chip-Marken steht im krassen Gegensatz zu den Schwierigkeiten der Mehrheit. Von den 35 im Bericht erfassten Marken schnitten 29 im Vergleich zum Vorquartal immer noch schlecht ab, was eine beispiellose Marktdivergenz verdeutlicht.
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Innerhalb der LVMH-Gruppe litten die meisten Marken: Hublot (-4 %), TAG Heuer und Zenith verzeichneten jeweils einen Rückgang von über 2 %. Bulgari (-0,2 %) war ein relativer Ausreißer und zeigte mehr Stabilität.
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Innerhalb der Richemont-Gruppe bildete Cartier zwar eine Ausnahme, doch auch Luxusmarken wie A. Lange & Söhne, Vacheron Constantin, Jaeger-LeCoultre und Panerai blieben nicht immun und verzeichneten allesamt Rückgänge von über 2 %.
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Auch die Swatch Group geriet unter Druck. Unter anderem bei Blancpain und Longines kam es zu Kursverlusten von über 3 Prozent. Nur Tissot (+1,25 Prozent) war in diesem Quartal ein unerwarteter Geheimtipp.
Diese Daten enthüllen die Realität des Marktes schonungslos: Wenn die Flut zurückgeht, können sich nur Marken mit dem solidesten Markenwert und der solidesten Marktnachfrage behaupten.
III. Jenseits der Zahlen: Der wahre Puls des Marktes und tiefe psychologische Wechselwirkungen
Um den Markt wirklich zu verstehen, müssen wir über die nackten Zahlen hinausblicken und auf seinen wahren Puls hören. Durch die Kombination von Beobachtungen vor Ort mit den Erkenntnissen erfahrener Sammler identifizieren wir mehrere wichtige Trends:
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Die Blase platzt, die Rückkehr zur Rationalität ist das beherrschende Thema: Wir müssen anerkennen, dass der Hype der letzten Jahre eine massive Blase war, die durch die einzigartige Liquidität der Pandemie-Ära und den verstärkenden Effekt der sozialen Medien angeheizt wurde. Wie ein Kommentator treffend bemerkte: „Die Aufmerksamkeitsspanne in den sozialen Medien ist begrenzt.“ Mit dem Abklingen dieser fieberhaften Flut kalibriert sich der Markt unweigerlich in Richtung einer „normalen“ Trendlinie. Wir nähern uns einer Zeit, in der man wieder in eine Boutique gehen und fast alles kaufen kann, was man sich wünscht. Daher ist der aktuelle Rückgang weniger ein Crash als vielmehr eine gesunde Neukalibrierung in Richtung rationaler Werte.
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Zwischen Käufern und Verkäufern tobt derzeit ein spannungsgeladenes Patt: Der Markt ist von einer angespannten Lage geprägt. Auf der einen Seite erkennen versierte Käufer die veränderte Marktstimmung und halten ihr Bargeld zurück, während sie geduldig auf bessere Preise warten. Auf der anderen Seite zögern viele Gebrauchtuhrenhändler, insbesondere diejenigen, die ihre Lagerbestände zu Spitzenpreisen aufgestockt haben, ihre Preise den aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen. Ein Uhrenliebhaber erzählte eine Anekdote aus Denver, wo eine Rolex Certified Pre-Owned (RCPO) 16710 „Pepsi“ mit Originalverpackung und Papieren heute noch für unrealistische 16.500 Dollar angeboten wurde. Diese Pattsituation bei der Preisgestaltung führt dazu, dass kein Handel zum angegebenen Preis möglich ist, und ist einer der Gründe für den verlangsamten Preisverfall – nicht etwa aufgrund einer wieder anziehenden Nachfrage, sondern aufgrund geringerer Transaktionsvolumina.
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Das CPO-Programm-Paradoxon: Stabilisator oder Hindernis? Das Aufkommen von Certified Pre-Owned (CPO)-Programmen von Marken wie Rolex ist eine einzigartige Variable in diesem Zusammenspiel. CPO ist im Grunde ein strategischer Schachzug der Marken, um die Preisgestaltung auf dem Sekundärmarkt zu kontrollieren und mit ihren Premium-Tags eine „Preisuntergrenze“ zu etablieren. Dies scheint jedoch im Widerspruch zur allgemeinen Entwicklung des Gebrauchtmarktes zu stehen. Wir beobachten, dass die CPO-Preisstrategien das tatsächliche Marktangebot und die Marktnachfrage nicht vollständig widerspiegeln und möglicherweise eine rationale Preiskorrektur behindern, indem sie bei einigen Verkäufern unrealistische Erwartungen wecken.
IV. Zukunftsaussichten und unsere Perspektive: Drei externe Wolken hängen über dem Markt
Mit Blick auf die Zukunft sind wir der Meinung, dass der Markt noch lange nicht zur Ruhe gekommen ist. Mindestens drei externe Faktoren werden weiterhin Druck ausüben:
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Schatten der Zölle: US-Zölle auf Schweizer Importe haben bereits fast alle Marken gezwungen, ihre Einzelhandelspreise auf dem amerikanischen Markt zu erhöhen. Steigende Preise für neue Uhren mögen zwar den Wert gebrauchter Uhren vorübergehend stützen, langfristig werden sie jedoch die Kaufkraft der Verbraucher schwächen und letztlich den Druck auf den gesamten Markt übertragen.
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Wechselkursdruck: Die anhaltende Stärkung des Schweizer Frankens gegenüber wichtigen Währungen wie dem US-Dollar erhöht kontinuierlich die Produktionskosten für Schweizer Uhren und verstärkt den Druck auf die Marken, die Preise zu erhöhen.
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Makroökonomische Unsicherheit: Die Weltwirtschaft ist mit Rezessionsrisiken konfrontiert, was die Verbraucher bei Luxusausgaben zurückhaltender macht. Die aufstrebende Mittelschicht ist eine wichtige Zielgruppe für Marken wie Rolex, und jeder Rückgang der Kaufkraft dieser Gruppe wird den Markt auf die Probe stellen.
Unsere Empfehlungen:
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Für Käufer: Geduld ist derzeit Ihr bester Verbündeter. Das Marktniveau neigt sich zugunsten der Käufer. Warten Sie bei Blue-Chip-Uhren auf einen rationaleren Einstiegspunkt. Für Zweitmarken, die deutliche Kursrückgänge erlebt haben, könnte jetzt ein günstiger Zeitpunkt sein, um „Value Plays“ zu entdecken.
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Für Verkäufer: Realismus ist oberstes Gebot. Bitte beachten Sie, dass der Markt nicht mehr der Verkäufermarkt von vor zwei Jahren ist. Starre Preise verlängern nur Ihre Lagerzyklen. Flexibilität und die Ausrichtung auf Markttrends sind der klügere Weg.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die „Stabilisierung“ im zweiten Quartal eher wie eine Halbzeitpause in einem spannenden Spiel anfühlt. Die eigentliche zweite Hälfte wird vom Zusammenspiel makroökonomischer Faktoren, Markenstrategien und Verbrauchervertrauen geprägt sein und letztlich die zukünftige Entwicklung des Marktes bestimmen. Aus dieser tiefgreifenden Korrektur könnte sich ein rationalerer und gesünderer Markt für gebrauchte Uhren entwickeln.
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